Newsletter März

Willkommen – Was ist anthroposophische Meditation? – Bücher von Arthur Zajonc und Ulrich Ott – Gespräch mit Ulrich Ott am 20. Februar in Bad Nauheim – Neue Facetten – Radio EnlightenNext – Kommentare. — — —

Das Institut für anthroposophische Meditation ist im vergangenen Monat vielerorts willkommen geheißen worden: In der Februar-Ausgabe der Zeitschrift Die Drei ist ein kleines Porträt erschienen, ebenso im Internetportal Themen der Zeit, AnthroMedia machte aufmerksam und auch auf holländisch war über das Institut zu lesen, nämlich in Michel Gastkempers Blog Anthroposophie in de Pers. Auf Facebook zogen die Hinweise aufs Institut recht weite Kreise, und in den Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland wurden auch die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft informiert. Last but not least: Der Finanzkreis des Arbeitszentrums Nordrhein-Westfalen hat sich maßgeblich an der Finanzierung der Website beteiligt, einmalig und freilassend. Allerseits vielen Dank!

Und Gespräche gab es natürlich auch, verschiedenster Art, mit vertrauten Menschen und mit ganz unbekannten. Fast immer aber kam die Frage: ist das denn überhaupt etwas Besonderes, anthroposophische Meditation? Meditation ist doch Meditation! Tja. Das ist eine der Forschungsaufgaben des Instituts: sichtbar und auch verständlich zu machen, was das Besondere anthroposophisch orientierter Meditation ist, und was sie gemeinsam hat mit anderen Ansätzen.

Mehr und mehr wird Meditation gegenwärtig abgelöst von ihrem spirituellen Kontext. Ob man hinduistisch, buddhistisch, christlich, anthroposophisch meditiert, das ist nicht die erste Frage. Von anthroposophischer Seite hat Arthur Zajonc mit seinem Buch „Aufbruch ins Unerwartete“ eine Einführung in die Meditation vorgelegt, die dem Meditierenden keine bestimmte weltanschauliche Ausrichtung auferlegt. „Wach sein und innere Ruhe finden“, damit beginnt das erste Kapitel, und damit ist vielleicht benannt, worauf sich alle Meditierenden einigen könnten.
Auch das Buch des Gießener Psychologen und Meditationsforschers Ulrich Ott „Meditation für Skeptiker“ hält sich unabhängig von einer bestimmten spirituellen Ausrichtung. Es beginnt mit einer Untersuchung verschiedener Körperhaltungen, schließt an mit am Atem ansetzenden Übungen zur Aufmerksamkeitssteuerung und führt dann über Übungen zur Regulation von Emotionen hin zur Kontrolle des Denkens. Die angegebenen Übungen werden so eingeführt, dass man sofort beginnen kann und dabei über die Ziele und die Wirksamkeit der Übungen gut orientiert wird. Für Anfänger ist dieses Buch sehr geeignet. Außerdem enthält „Meditation für Skeptiker“ für jeden Bereich den Stand der akademischen Forschung und im Abschlussteil des Buches ist auch eine kleine Geschichte der Meditationsforschung beigegeben. Was für Untersuchungen gibt es, welche Wirkungen lassen sich durch Messung nachweisen, was berichten die Übenden selbst? Am Interessantesten sind für mich die Forschungen an Meditierenden, die eine allgemeine Seins- oder Einheits-Erfahrung anstreben. Die These von Ulrich Ott besagt, „dass während mystischer Erfahrungen die Repräsentationen von Innen- und Außenwelt miteinander verschmelzen, weil es zu einer großräumigen Synchronisierung der EEG-Wellen im Gamma-Bereich kommt.“ Demgegenüber sind die Vorgänge unseres alltäglichen Gegenstandsbewußtseins „begleitet von einem raschen Auftauchen und Verschwinden von Gamma-Oszillationen, die jeweils nur für kurze Zeit die Repräsentationen bilden, die gerade aktiv sind.“ Die differenziert wechselnde Gehirntätigkeit, die das Gegenstandsbewußtsein begleitet, ist ein förmliches Abbild der Trennung zwischen Subjekt und Objekt und allen Gegenständen, und ebenso ist die Synchronisation, die die Einheitserfahrung begleitet, ein Bild für die Überwindung der Grenze zwischen Subjekt und Objekt.
Bezüglich Übungen zur Erlangung einer Einheitserfahrung hält Ulrich Ott sich zurück. Vielleicht liegt hier auch eine Grenze, die sich unabhängig von einer spirituellen Ausrichtung, einem bestimmten Verständnis von Transzendenz, das ja auch der Aufklärung des Meditierenden über sein eigenes Tun dient, nicht mehr überschreiten lässt.
Die anthroposophische Meditation kommt in Ulrich Otts Buch nicht vor – das wäre auch sehr ungewöhnlich und wird sich ja vielleicht demnächst ändern! Wo könnte man sie denn einordnen? Übungen zur Kontrolle von Aufmerksamkeit, Emotionen und Gedanken liegen auch in den Nebenübungen Rudolf Steiners vor. Die anthroposophischen Meditationen im engeren Sinne aber würden vielleicht doch ein eigenes Kapitel erfordern. Denn sie gehen eigentlich durch das Anstreben einer Einheitserfahrung hindurch und – dieses gewissermaßen mitnehmend – wieder zurück in die differenzierte Welt. So spricht auch Arthur Zajonc von kontemplativem Erkennen und kontemplativem Forschen als Wieder-Zuwendung zur differenzierten Welt, das sich im Pendelschlag zwischen fokussierter Aufmerksamkeit und offenem Gewahrsein entwickelt (s. hierzu auch den im Februar-Newsletter vorgestellten Aufsatz von J. Wagemann).

Der Bad Nauheimer Waldorf-Lehrer Uwe Mos hatte das Buch von Ulrich Ott gelesen und darin die anthroposophische Meditation vermisst. Er lud Ulrich Ott zu einem Gespräch mit dem Bad Nauheimer Arbeitskreis für anthroposophische Meditation ein, zu dem dann auch das Institut für anthroposophische Meditation hinzukam. Dieses Gespräch fand am 20. Februar in Bad Nauheim statt. Wir lernten dabei in Ulrich Ott einen außerordentlich interessierten und offen fragenden Forscher kennen, der – vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrung als Yoga-Lehrer – mit seiner Arbeit als Meditationsforscher einen Beitrag leistet, Spiritualität in der akademischen Wissenschaft gegenwärtig und besprechbar zu machen – indem nämlich die akademische Wissenschaft spirituelle Praxis, unabhängig von jeder weltanschaulichen Vorgabe, erforscht. Der Nachmittag verlief außerordentlich anregend: in der Begegnung von Meditationsforschung und anthroposophischer Meditation befragten und zeigten sich beide Seiten gegenseitig, und begannen dabei, sich zu verändern. Rudolf Steiner übrigens hat dieses Vorgehen 1917 in seinem Buch „Von Seelenrätseln“ als Begegnung von Anthropologie und Anthroposophie beschrieben. Beide Seiten stellen sich an die Grenze ihres eigenen Gebietes, stellen Grenzfragen, die sie fragend, forschend und meditierend zueinander bringen und darin eine reale Verbindung von Geist und Materie, von Spiritualität und Lebenspraxis bewerkstelligen. Im Rückblick auf die Begegnung hat Ulrich Ott seine Eindrücke so festgehalten:

„Für mich als Forscher stellt sich zunächst die Frage nach einer Definition des eigentlichen Gegenstands: Was genau ist unter dem Begriff ‚anthroposophische Meditation‘ zu verstehen? Was sind die Methoden, die darunter fallen, gibt es einen standardisierten, schriftlich fixierten Lehrplan für die Unterweisung? In unserem Gespräch wurde deutlich, dass es eine ganze Reihe unterschiedlicher Techniken und Anwendungsfelder gibt. Hier wäre eine systematische Darstellung, Einteilung, Typologie von Methoden wichtig, ergänzt mit dem jeweiligen Anwendungsgebiet und der konkreten Zielsetzung der Übung. Es gibt wohl ältere anthroposophische Bücher, die einzelne Methoden behandeln, aber eine aktuelle systematische Darstellung und Einordnung scheint nicht zu existieren.
Da innerhalb der anthroposophischen Bewegung verschiedene Strömungen existieren, wäre es zunächst aus meiner Sicht am besten, als ersten Schritt eine kleine Fachtagung zu organisieren, auf der Vertreter der einzelnen Strömungen ihre Sicht anthroposophischer Meditation vorstellen und miteinander diskutieren. Daraus könnte ein Tagungsband entstehen, der verschiedene Perspektiven enthält und zugleich den Versuch einer Gesamtschau anthroposophischer Meditationspraxis unternimmt. … Damit könnte die Grundlage für einen weiteren Austausch geschaffen werden und für die Entwicklung gemeinsamer Forschungsprojekte. Der Austausch zwischen Praktikern und Wissenschaftlern kann sehr fruchtbar für beide Seiten sein – das habe ich bereits mehrfach bei Workshop-Tagungen des Mind and Life Institute in den USA erlebt. Es würde mich sehr freuen, wenn sich etwas derartiges auch in Deutschland entwickeln würde, und bin gerne bereit, daran aktiv mitzuwirken.“

Das ist eine spannende Herausforderung für die anthroposophisch orientierte Meditation und deren Praktiker, und auch für das Institut für anthroposophische Meditation. Wie sehen Sie das?

Auf der hiesigen Website wurden zwei neue Facetten beigesteuert: von Michael Eggert und Agnes Hardorp  – beiden vielen Dank! Auch der Veranstaltungskalender ist weiterhin angewachsen.

Am Donnerstag, den 22. März von 20 bis 21 Uhr wird es im Radio EnlightenNext eine Sendung mit dem Titel „Meditation im 21. Jahrhundert – Tom Steininger im Gespräch mit Anna-Katharina Dehmelt“ geben. Live im Internet ist die Sendung über den RadioLiveStream http://enlightennext.de/live/ anzuhören (nur während der Sendung aktiv!), ebenso per Telefon 

aus dem deutschen Festnetz: 0234 543 9810
Österreich: 0126 505 40
Schweiz: 044 595 9030
USA: +1 559 546 1700
weitere Länder auf Anfrage
Zugangs–Code für alle Nummern: 92 54 32#

Während der Sendung können Sie sich mit Fragen und Anregungen per Telefon oder per Mail an Radio@EnlightenNext.org aktiv in die Sendung einbringen. Die Sendung steht ab dem 23. März auf der Website www.enlightennext.de/radio zum Anhören und für den Download bereit.

Zum Schluss die Bitte: halten Sie uns auf dem Laufenden, über Veranstaltungen, über interessante Neuerscheinungen, Tagungen, Websites und Diskussionen im Netz!

Und wenn Sie etwas anmerken, beisteuern, kritisieren oder unterstützen möchten, so können Sie das jetzt direkt gleich hier tun:

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