Meditative Methoden in der Pflanzenzüchtung
Die Verwaltung des Saatgutes, das Jahr für Jahr ausgesät wird, um unsere Nahrung hervorzubringen, liegt heute überwiegend in der Hand großer Konzerne. Dazu gehört, dass die Samen von Pflanzen aus Hybridzüchtung hinsichtlich der sortenbestimmenden Eigenschaften nicht stabil und deshalb für den Nachbau nicht geeignet sind. Anders als bei samenfesten Sorten muss also das Saatgut jedes Jahr wieder neu eingekauft werden. Auch unter Bio- und Demeter-Markenzeichen wird solches Saatgut verwendet – nicht zuletzt deshalb, weil es erst seit wenigen Jahrzehnten eine ganzheitlich bzw. biologisch-dynamisch orientierte Gemüsezüchtung gibt, wie sie etwa bei Kultursaat e.V. angesiedelt ist. Auch der Saatgutfonds der GLS-Treuhand kümmert sich um die Entwicklung nachhaltigen Saatgutes. Im kleinen Stil wird seither intensiv geforscht und gezüchtet, mit Methoden jenseits von Gentechnik und Laborzüchtung.
Diese Züchtungsinitiativen befassen sich mit grundlegenden Fragen, die in der konventionellen Saatgutforschung gar nicht vorkommen: Was ist das Potential und das Wesen der jeweiligen Pflanze? Und, mehr noch: Wohin kann und will sich die jeweilige Art oder Sorte entwickeln? Über all dem schwebt die Frage, was uns Menschen heute und in Zukunft ernährt.
Dabei kommen auch Methoden zum Einsatz, die in der konventionellen Züchtung nicht üblich sind; zum Beispiel werden die Pflanzen mit Musik oder Eurythmie begleitet. Sorgfältig dokumentierte Forschungen der vergangenen Jahre (Forschungsberichte dazu gibt es hier und hier) warfen die Frage auf, ob auch durch eine meditative Bewusstseinsarbeit am Wesen der Pflanze der Züchtungsprozess impulsiert werden kann. Die erfolgreiche Arbeit mit Eurythmie und Musik legte nahe, dass auch eine meditative Begleitung wirksam sein könnte.
Seit 2009 arbeitet nun eine Gruppe aus Gemüse- und GetreidezüchterInnen unter Beteiligung des Institutes für anthroposophische Meditation und der Gesellschaft für Bildekräfteforschung mit dieser Frage. Mit meditativen Methoden wird der wahrnehmend-erkennende und kooperative Austausch mit der jeweiligen Pflanze praktiziert.
Konkret wurden bisher Lauch und Brokkoli in ihrer besonderen Artung untersucht. In einem ersten Schritt wurden die Pflanzen – orientiert an der naturwissenschaftlichen Methode Goethes – phänomenologisch untersucht, Erscheinungsbild und Morphologie betrachtet, Wissen und Erfahrungen der Gärtner zusammengetragen. Die so gewonnenen Bilder wurden sodann innerlich durchmeditiert und mit Blick auf ihre Bildekräfte belebt und in einem nächsten Schritt inspirativ-fühlend transparent gemacht. Dabei wurde Eigenart, Charakter und Fähigkeit der betreffenden Pflanze immer unmittelbarer gegenwärtig, bis so etwas wie ein inneres Gespräch mit dem Wesen der Pflanze möglich wurde, das auch Schwächungen der Art durch einseitige Züchtungen und Anbaubedingungen deutlicher aufzeigte. So konnten Perspektiven für eine Stärkung der jeweiligen Art gewonnen und in der Meditation an die Pflanze herangetragen werden, für die stellvertretend ein Schälchen mit Saatgut anwesend war.
Das so begleitete Saatgut wurde ausgesät und teils geerntet, teils wurde neues Saatgut gewonnen, das mittlerweile ebenfalls geerntet wurde. Bei den jungen Pflanzen sind die Unterschiede augenfällig, wachsen sich dann aber im Laufe der Zeit aus und verlagern sich auf die Ebene der Bilde- und Lebenskräfte. Diese können direkt nur mit meditativen Methoden untersucht werden, die auf die Vitalität oder auf seelische und geistige Aspekte der Pflanze zielen, zum Beispiel mit Methoden der Bildekräfteforschung. Solche Untersuchungen der geernteten Pflanzen im Vergleich zu Pflanzen der gleichen Sorte ohne meditative Begleitung zeigen signifikante Unterschiede. Der Charakter der begleiteten Pflanzen erweist sich insgesamt als kräftiger, deutlicher, aufrechter und mehr in den Umkreis integriert. Zum Teil haben diese Qualitäten eine Stärke, die die Pflanze in die Nähe eines Heilmittels rückt.
Nach diesen ersten Erfahrungen werden nun die Meditationen an den Pflanzen genauer auf bestimmte Problemstellungen ausgerichtet. Derzeit steht die Beschäftigung mit „Schädlingen“ im Vordergrund. Wie ist das Verhältnis zwischen Pflanze und Insekt allgemein? Wozu brauchen sich die beiden? Wie kann die Pflanze darin unterstützt werden, das bei starkem Schädlingsbefall aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnis zwischen der Pflanze und ihrer Umgebung wieder ins Gleichgewicht zu bringen? Mit diesen Fragen beginnt derzeit ein neuer Forschungsstrang.
Im Unterschied zur Behandlung von Pflanzen mit stofflichen Mitteln handelt es sich bei dem meditativen Vorgehen eher um eine Begleitung. Die zu durchlaufenden Bewusstseinsstufen sind methodisch gut abgesichert. Die Begleitung hat nichts Zwingendes, vielmehr den Charakter, etwas zu ermöglichen, herbeizurufen, zuzulassen. Nicht stoffliche Prozesse, sondern die lebendige und kosmische Umgebung der Pflanze verrichten die eigentliche Arbeit in der Züchtung. Meditation kann diese Zusammenhänge fördern und unterstützen.
Bettina Beller und Anna-Katharina Dehmelt
Der Text erscheint gleichzeitig auch im
Rundbrief der Gesellschaft für Bildekräfteforschung
und wurde nachgedruckt in Info3 4/2013