Der Anthroposophische Schulungsweg

Die anthroposophische Meditation ist eingebettet in den anthroposophischen Schulungsweg, der weitere Übungen enthält und zugleich beschreibt, welche Erfahrungen auf diesem Weg zu machen sind. In der Esoterischen Schule und in der „Geheimwissenschaft im Umriss“ unterscheidet Steiner zwischen Meditationen, die der Bewußtseinsverwandlung dienen, und Übungen, die ‚nebenher’ zu machen sind, aber keineswegs nebensächlich die Veränderungen, die eine solche Bewußtseinsverwandlung mit sich bringt, im seelischen Leben und der alltäglichen Lebensführung abfedern und stützen.

Bereits in „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“ war eine große Vielfalt solcher Übungen enthalten, in der „Geheimwissenschaft im Umriss“ reduziert Steiner diese auf eine Nebenübungen (-> Beispiele) genannte Gruppe von sechs Übungen, zu denen als siebte die Rückschau-Übung (-> Beispiele) tritt, und eine zweite Gruppe von fünf Übungen, die man als Nebenübungen zur Inspiration bezeichnen kann. Während die sechs Nebenübungen die grundlegenden Seelentätigkeiten Denken, Fühlen und Wollen direkt ansprechen, richten sich diese fünf Übungen auf die Ausbildung von Gleichmaß und Gleichgewicht komplexer Seeleneigenschaften: (1) zwischen Einkehr im Inneren und Empfänglichkeit für die Eindrücke der Außenwelt, (2) zwischen Empathie und Urteil, (3) zwischen Verehrung und Selbstbewusstsein, (4) zwischen Ahnung und Planung sowie (5) zwischen Fähigkeitsbildung und Erkenntnistrieb. In diese fünf Übungen sind viele Übungen aus „Wie erlangt man“ eingegangen, die Steiner sonst nicht mehr ausdrücklich erwähnt.

Es gehört auch zum anthroposophischen Schulungsweg, sich bekannt zu machen mit den psychologischen Krisen, durch die ein solcher Weg führen kann. Eine wichtige Funktion der Meditationen besteht darin, die Abgrenzung des eigenen Wesens von der Welt durchlässig und durchsichtig zu machen. Zu dieser Abgrenzung gehören aber unsere Eigenheiten, unsere Sympathien und Antipathien, unsere Laster und Schutzmechanismen. All dies steht einer Durchsichtigkeit zunächst im Wege. Die Meditationen bringen deshalb das Gefüge, das uns von der Welt abgrenzt, in Bewegung, zeigen uns dabei zugleich aber auch, welche Eigenheiten eine wirkliche Verbindung mit den geistigen Kräften zunächst verhindern. Die damit verbundene Selbsterkenntnis ist kritisch. Was hier sichtbar wird, sind all jene Seeleninhalte, die vom Ich nicht ergriffen und geführt werden und wie eine Art ‚Doppelgänger‘ mit Eigendynamik wirken; gerade deshalb ist es so wichtig, die Führung des Ich in der Seele durch die Nebenübungen zu stärken.
Es herrscht an dieser Stelle aber das Gesetz, dass dem Meditierenden nie mehr von diesen Seeleninhalten sichtbar wird, als er zu erkennen, zu verwandeln und zu führen tatsächlich in der Lage ist. Das Gesetz, das hier zum Tragen kommt, ist in einem ‚Hüter der Schwelle‘ gleichsam verkörpert.

 

Gesamtdarstellungen des anthroposophischen Schulungsweges:
Paul Eugen Schiller: Der anthroposophische Schulungsweg (1979)
Gerhard Wehr: Der innere Weg (1983)
Jaap van de Weg: Hinter dem Schleier. Meditation für Einsteiger (1999)