Dirk Kruse: Anthroposophische Meditation?! Ein Kosmos!
Der Begriff ruft mich in seinen weiten Raum. Führt mich zuerst vor das Panorama seiner Quantität: Meditatives Studieren und Denküben gehört dazu, Haupt- und Nebenübungen, Wahrnehmungserweiterungs-Schulung, berufsspezifische bzw. künstlerische Meditationswege, Meditationen und Gebete für Verstorbene, meditative Gruppenprozesse – und vieles andere mehr!
Dann führt mich der Begriff in den Raum der mit ihm verbundenen Hürden. Im Meditationsleben unbewusst mitgezüchtetes Kleben, am Genuß von Allüberblick, an Verschmelzung oder Autonomie, führt hin zum ernüchternden Erwachen in Selbsterkenntnis-Schwellenkrisen – dem Stirb und Werde, das doch zur Ausbalancierung der egoistischen Extreme leitet.
Der Begriff zeigt den anschliessenden Raum. Er lässt das bisher Genannte als ‚Vorbereitung‘ erscheinen! Dieser Raum zeigt Geistige Erlebnisse: Wie erst einmal das je Meditationsart verschiedene Meditationsfluidum aus seelisch-lebendigen Substanzen entsteht. Und diese sich langsam zu überphysischen Wahrnehmungsorganen konfigurieren. Wie das Ausleuchten eines Wahrnehmungsgebietes, wie etwa Spriessen und Welken, gleichzeitig ein geklärtes Gebiet in der überphysischen Welt schafft, das sowohl Maßstab wird, als auch Eintrittshalle in andere Gebiete der geistigen Welt. In unterscheidungsfähiger Klarheit kann von nun an in die Geistigen Erlebnisse eingetreten werden: imaginativ vorm Bilderleben stehend, inspirativ eintauchend oder intuitiv drinnenstehend.
Nun wendet sich der Blick zu dem Raum der Fruchtbildung der anthroposophischen Meditation. Wirksame Früchte entstehen durch die ‚Übersetzung‘ der Geistigen Erlebnisse. Indem in kreativem Ringen um adäquaten Ausdruck des Erlebten stimmige Zeichnungen und Wortgebilde geschaffen werden und dadurch Verständnis, Vergleichbarkeit und Überschau innerhalb der Erlebnisgebiete entsteht. Daraufhin lassen sich sogar unterscheidende und vereinfachende logische Darstellungen in Kategorien und Methodenschritten entwickeln. Dies führt zur Geistigen Forschung.
Das Panorama der Anthroposophischen Meditation verfliegt langsam und ich sehe ihren realen Standort zwischen Vergangenem und Zukünftigem. Lange Zeit lebte sie wie eine Pflanze, die ein Schattendasein im stillen Kämmerlein führte und zu vertrocknen drohte. Geistige Erfahrungs- und Fähigkeitsarmut führte so zu Mangelerscheinungen in der anthroposophischen Strömung. Nun ist es anders. Eine Übungskultur scheint zu wachsen, die zu einer breiten Forschungskultur führen kann. Damit würden Quellen erschlossen – auch für eine gemeinschaftliche Regenerations- und Transformationsarbeit in der anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft. Dann erfüllen diese Meditationsformen immer mehr ihren Sinn in spirituell durchströmten Organisations- und Arbeitsformen mit breiter Kulturwirkung.
Kosmos erzeugt Kosmos!
Dirk Kruse ist Organisationsberater und Dozent