Geistige Forschung denken
Gemeinsam mit dem D.N.Dunlop-Institut hat am 18. März 2014 erstmals das Kolloquium ‚Geistige Forschung denken‘ in Frankfurt stattgefunden. Ausgangspunkt war die Frage, das Verhältnis zu klären zwischen eher wahrnehmungsorientierter geistiger Forschung und solchen Ansätzen, die von der Spiritualisierung des Denkens ausgehen. Welche Art von Hellsichtigkeit wird auf den verschiedenen Wegen entwickelt? Wie stehen die Ergebnisorientierung der sogenannten ‚Wahrnehmer‘ und die Prozess- bzw. Aktivitätsorientierung der sogenannten ‚Denker‘ zueinander? Handelt es sich hier überhaupt um Unterschiede oder vielmehr um verschiedene Ausschnitte eines Kontinuums?
Rudolf Steiner hat vor allem die Spiritualisierung des Denkens und überhaupt die Verstärkung der Denkkraft als Ausgangspunkt einer spirituellen Entwicklung betont. Explizit wahrnehmungsorientierte Ansätze finden sich vor allem in den Naturmeditationen von „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“. In dem Vortragszyklus „Grenzen der Naturerkenntnis“ aus dem Jahre 1920 sind die beiden Zugänge über die Wahrnehmung und das Denken gleichgewichtig dargestellt, ebenso wie in den Wochensprüchen des Anthroposophischen Seelenkalenders. Aufs Ganze gesehen sind das jedoch eher Ausnahmen. Andererseits enthält der Zugang über die Verstärkung des Denkens das Wahrnehmen in sich selbst, wie folgende Passage aus Steiners „Mein Lebensgang“ zeigt:
„Konnte man nicht auch an einen solchen Bewußtseinszustand denken, der die Wahrheit im Wesen der Dinge vermittelt? Wenn das berechtigt ist, dann kann man nicht in Kantscher Art das zunächst gegebene menschliche Bewußtsein betrachten und untersuchen, ob dieses an das wahre Wesen der Dinge herankommen könne. Sondern man mußte erst den Bewußtseinszustand erforschen, durch den der Mensch sich in ein solches Verhältnis zur Welt setzt, daß ihm die Dinge und Tatsachen ihr Wesen enthüllen.
Und ich glaubte, zu erkennen, daß ein solcher Bewußtseinszustand bis zu einem gewissen Grade erreicht sei, wenn der Mensch nicht nur Gedanken habe, die äußere Dinge und Vorgänge abbilden, sondern solche, die er als Gedanken selbst erlebt. Dieses Leben in Gedanken offenbarte sich mir als ein ganz anderes als das ist, in dem man das gewöhnliche Dasein und auch die gewöhnliche wissenschaftliche Forschung verbringt. Geht man immer weiter in dem Gedanken-Erleben, so findet man, daß diesem Erleben die geistige Wirklichkeit entgegenkommt. Man nimmt den Seelenweg zu dem Geiste hin. Aber man gelangt auf diesem inneren Seelenwege zu einer geistigen Wirklichkeit, die man dann auch im Innern der Natur wiederfindet. Man erringt eine tiefere Naturerkenntnis, indem man sich der Natur dann gegenüberstellt, wenn man im lebendigen Gedanken die Wirklichkeit des Geistes geschaut hat.
Mir wurde immer klarer, wie durch das Hinwegschreiten über die gewöhnlichen abstrakten Gedanken zu denjenigen geistigen Schauungen, die aber doch die Besonnenheit und Helligkeit des Gedankens sich bewahren, der Mensch sich in eine Wirklichkeit einlebt, von der ihn das gewöhnliche Bewußtsein entfernt. Dieses hat die Lebendigkeit der Sinneswahrnehmung auf der einen Seite, die Abstraktheit des Gedanken-Bildens auf der andern. Die geistige Schauung nimmt den Geist wahr wie die Sinne die Natur; aber sie steht mit dem Denken der geistigen Wahrnehmung nicht ferne wie das gewöhnliche Bewußtsein mit seinem Denken der Sinneswahrnehmung, sondern sie denkt, indem sie das Geistige erlebt, und sie erlebt, indem sie die erwachte Geistigkeit im Menschen zum Denken bringt.
Eine geistige Schauung stellte sich mir vor die Seele hin, die nicht auf einem dunklen mystischen Gefühle beruhte. Sie verlief vielmehr in einer geistigen Betätigung, die an Durchsichtigkeit dem mathematischen Denken sich voll vergleichen ließ.“
Am 18. März 2014 nun haben sich zehn Forscherpersönlichkeiten zusammengefunden. Nach einer allgemeinen Einführung in die Bedeutung von Wahrnehmung und Denken für die geistige Forschung und deren Gewichtung im Werk von Rudolf Steiner wurde am Vormittag eine inspirative Erfahrung beschrieben und anschließend sorgfältig beleuchtet und untersucht. Am Nachmittag ging es um den Übergang von der Naturbeobachtung zur übersinnlichen Naturwahrnehmung. Für beide Themen war es wichtig, das Vorgehen und die Beschreibungen enorm zu verlangsamen, so dass die Vollzüge und inneren Beobachtungen wirklich ins Bewusstsein genommen werden konnten.
Die Arbeit wird fortgesetzt.